Di 25. Oktober 2016 Archiv
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Angel Olsen

+ Little Wings präsentiert von Spex - Magazin für Popkultur und FluxFM
Di 25 Okt 2016 Archiv
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Jeder, der es gewagt hat, ANGEL OLSEN nach ihrem zweiten Album „Burn Your Fire For No Witness“ zu stigmatisieren, muss sich in Anbetracht ihres neuen Albums „My Woman“ auf eine erhebliche Überraschung einstellen. Wer an die Produktion des Vorgängers gewöhnt ist, dem sei gesagt: das Feuer lodert diesmal deutlich höher. Ihre entwaffnende und zeitlose Stimme steht noch mehr im Vordergrund als bisher und insgesamt kommt die Produktion leichter daher, auch wenn die außergewöhnliche, raue Kraft und die sich langsam abspulenden Beschwörungen ihrer früheren Werke bestehen bleiben. So, dass jeder, der OLSEN entweder als scheue Außenseiterin oder aber als Pop-Persönlichkeit einordnen will, eines besseren belehrt wird – ANGEL OLSEN bewegt sich weiterhin mit einer eindringlichen Schrägheit und einer kultivierten Anmut genau zwischen diesen beiden Extremen.

Wenn man sich den Titel und die Tracklist mit Songs wie „Sister“ oder „Woman“ anguckt, so könnte man schnell eine geschlechterspezifische Botschaft in „My Woman“ ausmachen. Aber OLSEN hat ihre lyrischen Ergüsse nie sehr direkt verfasst. Sie erklärt: „Ich nutze definitiv Szenen, die sich wieder und wieder in meinem Kopf abspielen, genauso wie man ein Drehbuch schreibt und eine Erinnerung so manipuliert, dass sie passt. Aber ich denke, es ist wichtig, dass Menschen Dinge so interpretieren können, wie sie es wollen.

Dennoch gibt OLSEN zu, dass wenn sie zwischen dem lustigen und synthiegeladenen Song „Intern“ und den traurigeren Songs auf der zweiten Hälfte des Albums ein Thema ausmachen sollte, es wohl das „komplizierte Chaos, eine Frau zu sein und für sich selbst einzustehen“ wäre.

Auf ihren letzten beiden Alben hat sie uns mit einer hallverhangenen, poetischen Ohnmacht, geheimnisvollem Folk, Grunge-Pop-Klängen und unvergesslichen Fingerpicking-Sounds begeistert. „My Woman“ stellt eine anregende Ergänzung zu ihrer vergangenen Arbeit dar und ist zugleich ein Album für das OLSEN ihre bisherigen Schreib- und Aufnahme-Ansätze und Methoden neu kalibriert hat um eine neue Phase ihres musikalischen Schaffens einzuleiten. Einige Lieder hat sie auf dem Klavier geschrieben, das sie nach ihrer letzten Tour kaufte, tauschte bei ein paar Songs die Klavieraufnahmen aber später zu Synthesizer und/oder Mellotron aus, wie zum Beispiel auch beim bereits erwähnten „Intern“.

„My Woman” besteht aus einer einwandfreien A- und B-Seite, wobei die schnelleren, eher Pop/Rock-orientierten Songs zu Beginn zu finden sind und die längeren, nachdenklicheren eher zum Ende hin auftreten.

Zum Beispiel der ausgelassene Song „Shut Up Kiss Me“, der am Anfang der Platte auf die Hörer wartet: Sein nervöser Grunge-Sound ist umgeben von der subtilen Verzweiflung, wie es bei jedem Song über die Erschöpfung nach einem leidenschaftlichen Streit der Fall wäre. Ein weiterer krönender Moment tritt in Form des melancholischen, VELVETS-artigen „Heart-shaped Face“ auf, während die unwiderstehlichen Tracks „Sister“ oder „Woman“ die einzigen sind, die nicht live eingesungen wurden. Beide haben eine Spielzeit von über sieben Minuten. Der erste stellt einen triumphalen, hallgetränkten 70er-Jahre-Countryrocksong dar, der an FLEETWOOD MAC erinnert und mit einem an NEIL YOUNG gemahnendes Gitarrensolo abschließt. „Woman“ hingegen ist eine wunderbare Erzählung in einem altmodischen Elektropop-Gewand, gepaart mit trägem, psychedelischem Soul.

Da ihre neuen Songs eine Mehrstimmigkeit verlangten, singt OLSEN auf „My Woman“ nun in einer deutlich weiteren Bandbreite an verschiedenen Stilen und hat mit dem Gitarristen Seth Kauffman einen Gast auf ihrem Album der ihre reguläre Band, bestehend aus Bassspielerin Emily Elhaj, Schlagzeuger Joshua Jaeger und Gitarrist Stewart Bronaugh unterstützt. Als Produzenten hat ANGEL OLSEN sich Justin Raisen geangelt, der bekannt für seine Arbeiten mit CHARLI XCX, SKY FERREIRA und SANTIGOLD ist.

Im Verlauf des Albums wird einem bewusst, dass die Frau, die im Titel „My Woman“ beschrieben wird, OLSEN selbst ist – absolut das Kommando führend, aber ebenso bereit, sich den Einflüssen ihrer Mitstreiter und äußerer Umstände zu beugen. Wenn es jemals Druck während der Arbeiten am Album gegeben haben sollte, so ist dieser im Endergebnis nicht mehr zu entdecken. Ein intuitiv kluges, herzlich kommunikatives und unglaublich freizügiges Album – „My Woman“ spricht jeden an!

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